April bis Oktober
Neben dem Verkehr auf der Straße war auch der Schiffsverkehr auf der Donau schon seit frühen Zeiten bedeutend. Wir knüpfen bei den Kelheimer Ordinarischiffen an, sie waren die größten aller Donauschiffe und sie wurden fast nur zu "Nauwärtsfahrten", d.h. zu Fahrten donauabwärts verwendet. Nach Österreich, Ungarn und bis in die Türkei fuhren sie, um dann in irgend einem der Donauländer verkauft zu werden. Neben Kelheim wurde auch an anderen Orten ein lebhafter Schiffsbau betrieben. In dem Markt Windorf bei Vilshofen beispielsweise war der Schiffsbau fast der einzige Erwerbszweig; dort befanden sich acht Schoppermeister mit etwa 150 Schopperknechten. "Schopper" hießen die Schiffsbaumeister, weil das wasserdichte Ausschoppen der Fugen zwischen den kräftigen Holzbohlen mit Moos eine der wichtigsten Arbeiten beim Schiffsbau war. Die einzelnen Bohlen, aus denen Boden und Seitenwände der Schiffe aufgebaut wurden, durften nicht in- und übereinander gefügt werden, sondern die Ränder der Bretter wurden nur fest nebeneinander gelegt und die verbleibenden Fugen nachher mit weichem Moose ausgestopft, d.h. "geschoppt". Das Moos wurde durch Hämmern so fest gefügt, daß es sich steinhart anfühlte, und zuletzt wurden auf beiden Seiten die so fest gefügt, daß es sich steinhart anfühlte, und zuletzt wurden auf beiden Seiten die so gedichteten Fugen mit leichten Holzleisten überdeckt. Da Moos der Fäulnis fast völlig widersteht bildet es, in der Weise zusammengepreßt, eine wasserdurchlässige Dichtung, die selbst nach Jahren, wenn das Schiff schon baufällig wurde, noch unversehrt, fast wie neu war. Von einer richtigen Schoppung hing daher der Wert und die Tüchtigkeit eines Schiffes ab. Die Ruderschiffe machten ihre Fahrten meist einzeln, selten zu zweien oder dreien. Verhältnismäßig wenige Fahrten gingen "gegenwärts" (gegen den Strom) und es mußten dann die Schiffe von Pferden gezogen "getreidelt", werden. Nur an der unteren Donaustrecke zwischen Deggendorf - Passau und Passau - Obernzell wurden mittels sogn. "Fließsteine" regelmäßige, bestimmte Fahrzeiten eingehalten Botenschiffahrten nach beiden Richtungen betrieben, wobei nicht nur Waren, Gegenstände und Tiere, sondern auch Personen befördert wurden. Die "Fließsteine" waren ähnlich gebaut wie die heute noch von den Flußbauämtern bei den Wasserbauten benützten Schiffe; sie maßen 6-7 Klafter (1 Klafter=1,8965 m) in der Länge, 7 Fuß (1 Fuß=0,316 m) in der Breite und 2 Fuß (1 Fuß=0,316 m) in der Tiefe und trugen lange, festgezimmerte Hütten zum Schutze der Fahrgäste und Waren.
Einige reiche Schiffsmeister machten auf eigene Rechnung mit Gegenwärtszügen gute Geschäfte, indem sie in Ungarn und Slawonien Wein, Getreide, Knoppern (Eichengallen) und ähnliche Produkte aufkauften und nach Bayern einführten. Regelmäßige Fahrten stromaufwärts und zwar auf Rechnung des Staates erfolgten nur zur Verfrachtung des Salzes, welches von den Salinen zu Reichenhall und Rosenheim mittels Plätten auf dem Innstrom abwärts bis Passau geschafft wurde. Hier wurde es auf größere Fahrzeuge, sogenannte Salzzillen, umgeladen und donauaufwärts in den Salzfaktoreien zu Straubing, Regensburg, Ingolstadt und Donauwörth abgeliefert. Dies geschah durch die vielgenannten Salzzüge.
Ein solcher setzte sich aus fünf großen meheren kleinen Schiffen zusammen, die durch schwere Seile miteinander verbunden waren und von 40-50 Pferden gezogen wurden. Zur Durchführung eines Schiffszuges waren etwa 50 Mann erforderlich, von denen die Hälfte für die Zugtiere, die andere Hälfte auf den Schiffen benötigt war. Als Zugtiere verwendete man meist kräftige Rottaler. Die Zusammenstellung des Zuges und die Durchführung der Fahrt, von den Schiffern "Reise" genannt, war durch altes Herkommen festgelegt und jeder Versuch einer Änderung wurde von den Beteiligten scharf abgelehnt. Ein solcher Zug sah etwa folgendermaßen aus.
Voraus ging der Kuchelbube, der rechte Laufbursche, das Mädchen für alles. Er mußte von Ort zu Ort die Mautsteine unterschreiben lassen, die gelegentlichen Extraladungen versorgen, dem Koch Kleinigkeiten für die Küche beschaffen und Botengänge aller Art machen. Ihm folgte hoch zu Roß der Vorreiter mit einer langen Stange, weshalb er spottweise vielfach "Stanglreiter" genannt wurde. Er war der Führer und unumschränkte Kommandant der Reitbuben. Mit der Stange hatte er das Wasser zu untersuchen, den Seßthaler auf alle Untiefen und Sandbänke aufmerksam zu machen und etwaige Hindernisse aus dem Wege zu räumen. Ihm folgten die Reitbuben und Roßleute, meist 22 an der Zahl, von denen die Hälfte je 2, die andere Hälfte je ein Pferd führten. Die Pferde waren mittels Nebenstränge an die Zwiesel, das ist der vordere Teil des Hauptseiles oder Klobens, gespannt. Gemeinhin wurden die Reitbuben "Salzjodler" genannt wegen ihres jodelnden Geschreis, womit sie ihre Pferde antrieben und das weithin hörbar war.
Es waren urwüchsige, abgehärtete Leute, zum größten Teil aus den Bezirken Passau-Land, Griesbach und Rotthalmünster stammend, und sie wurden mit Ihren Pferden vom Schiffsmeister, dem der Salzzug übertragen war, für eine oder mehrere Fahrten oder gleich für die ganze Sommerzeit gedungen. Der durch altes Herkommen festgelegte Lohn war für 1 Pferd täglich 1 fl, wobei Pferd und Reiter vollständige Verpflegung zu beanspruchen hatten. Diese bestand beim Pferd in Hafer von unbeschränktem Maße, während der Mann täglich 1 1/2 Pfund Rindfleisch, 4 Brotwecken zu je 6 Xr und 4 Maß Bier erhielt. Dagegen wurde für ein beschädigtes oder verunglücktes Tier keine Entschädigung gewährt. Die meist recht malerische Kleidung der Roßleute bildete eine schwarze Lederhose oder eine dunkle, mit Leder besetzte Tuchhose, schwere Schnür- oder lange Wasserstiefel, vielfach mit einem einzelnen rostigen Sporn daran, eine bunte, mit Metallknöpfen besetzte Weste, ein Tuch- oder Manchesterspenser und ein grauer Hut mit breiter, niederhängener Krempe. Die ganze Kleidung war möglichst abgetragen. Eine weiße Wolldecke zum Schutze gegen schlimme Witterung, in der Mitte ein Schlitz zum Durchstecken des Kopfes und eine lange Holzpeitsche, womit die Leute während des Zuges unablässig knallten und auf die Pferde einhieben, vervollständigten ihre Ausstattung. Das Pferd trug den einfachen hölzernen Schiffskummet und statt der Stränge die "Siel", einen aus Eschenholz gefertigten und zum Teil mit Blech beschlagenen Bogen, der um das Hinterteil des Pferdes herumlief. Sie hatte am Schwanzende des "Siehling", an dem die vom Vorderteil (Zwiesel) des Hauptseiles abzweigenden Stränge befestigt wurden. Hierzu kam noch ein hölzerner, fast ganz flacher Sattel mit Gurt und Steigbügel sowie ein gewöhnlicher Reitzaum. Der Vorreiter hatte zur Unterstützung noch ein paar Unterbefehlshaber, den Spaneller, den Marstaller und den Afterreiter. Letzterer, nach dem Vorreiter im Range der nächste und sein Stellvertreter, beschloß den Pferdezug mit seinem Rossepaar. Er mußte aber tagsüber oft ausspannen um das erste Hauptschiff, das "Hohenaner", bei Brücken, eschlächten, Sandbänken, Felsen u. dgl. über Hindernisse führen, damit es nicht irgendwo auffuhr und verletzt wurde. Der Spaneller oder Voraufreiter am Kolben führte das erste Pferdepaar und mußte das Fuhrwerken besonders gut verstehen um den Zug nach den Anweisungen des Vorreiters richtig zu lenken. Ihm folgte unmittelbar der Marstaller mit seinem Gespann. Seine Hauptaufgabe begann in den Ruhepausen; da mußte er den Hafer vorgeben, am Abend das Aufschlagen der Zelte und Pferdestallungen leiten und am Morgen die Reitbuben rechtzeitig wecken und für das Aufräumen sorgen. Die Mahlzeiten und Nachtlager der Roßleute waren für gewöhnlich am Ufer im Freien. Die Schiffe durfte außer dem Vorreiter keiner betreten und Gasthäuser wurden nur ausnahmsweise oder bei schlechtem Wetter besucht. Am Abend nach dem Haltmachen wurden die Leinenzelte mit den Strohlagern für die Mannschaft aufgestellt, die Barrenstecken in den Boden geschlagen und dazwischen die mit Hafer gefüllten Futterbarren und die Pferde befestigt. Dann trug man aus der Kuchenzille den Kochkessel herbei, in dem die Fleischportionen und die Suppe bereits gekocht waren, der Vorreiter verteilte das Brot und der Spaneller stellte das Bierfaß auf. Waren die Tiere versorgt und alles richtig vorbereitet, so entwickelte sich ein buntes Lagerleben, gewürzt mit Erzählungen und rauhem Gesang; mitunter artete es freilich auch in Zank, Streit und Prügelei aus.
Wie bei der ziemlich rohen Reiterei der Stanglreiter so übte bei der auch nicht feineren Zillenmannschaft der Seßthaler die volle Oberherrschaft aus. Vorreiter und Seßthaler standen im gleichen Range unabhängig einander gegenüber, und wenn beide freundschaftlich zusammenarbeiteten, so ging in der Regel alles gut auf der Reise; wenn aber die beiden Befehlshaber in Streit und Hader lebten, was auch nicht selten vorkam, so suchten sie einander zu schaden, wo sie konnten, und schoben einander die Schuld zu, wenn irgend ein Schaden entstand.
Die 20-25 Zillenleute nahmen ihre Mahlzeiten auf den Schiffen ein, auf denen sie auch ihre Nachtlager hatten. Der Seßthaler war die Hauptperson, gleichsam der Kapitän; ihm oblag die Oberleitung und er trug die Verantwortung gegenüber dem Schiffsmeister, der vom Staate den Salzzug übernommen hatte. Sein Platz war gewöhnlich auf einer erhöhten Bühne am Vorderteil des Hohenaners, von wo aus er den ganzen, fast einen halben Kilometer langen Schiffszug übersehen konnte. In der Hand führte er eine lange Standschelle, mit der er von zeit zu Zeit die Tiefe des Wassers prüfte. Neben ihm befand sich meist der Seilträger, nach dem Seßthaler die höchste Person und sein Stellvertreter. Ihm war die Aufsicht über das ganze Seilwerk übertragen, das ja bei diesen Zügen eine große Rolle spielte und einen nicht unbedeutenden Wert hatte. Vor allem lag ihm am Herzen der Kolben, das Hauptschiffsseil von 30 Klafter (1 Klafter=1,8965 m) Länge und gehöriger Dicke. Sie alle hatten ihren Platz, wenn sie nicht gerade gebraucht wurden, auf der Salmutze, einer Plätte von 4 Klafter (1 Klafter=1,8965 m). Länge und 5 Schuh Breite, die neben dem Hohenaner hing und auf der Bruckknecht über alle Seile die Aufsicht führte; er war der Gehilfe des Seilträgers. Das erste Salzschiff das Hohenaner oder Hauptschiff, hatte eine Länge bis zu 30 Klafter (1 Klafter=1,8965 m), eine Breite bis zu 15 Schuh und vermochte bis 25.000 Ztr. Last zu tragen. Ihm voraus gingen drei bis vier Seiltragplätten, geführt vom Vorfahrer und den Seiltragplättenführern. Sie hatten dafür zu sorgen, daß das Hauptseil oder der Kolben nicht anstreifte, an keinen Steine fuhr und sich nicht unter Wasser verschlug. In gleicher Weise hatten auf dem Lande der Afteraufleger und seine sechs gemeinen Auflagerer für den Kloben und die anderen Seile zu sorgen. Sie waren zu diesem Zweck mit dicken Prügeln ausgerüstet und hoben damit den Kloben über Stock, Stein und Staudenwerk hinweg. Meist gingen sie unmittelbar hinter dem Afterreiter. Auf dem Hohenaner befanden sich noch der Wässerer und der Müßiggeher; ersterer mußte das Wasser aus den Schiffen schöpfen und letzterer für Reinlichkeit sorgen; außerdem hatten beide auf die Seile obacht zu geben und andere Dienste, wie sie gerade der Augenblick forderte, zu leisten. Auf dem Rückteil des Schiffes waren noch der "Stoirer" (Steuermann) und der Hilfsruderer, die mit dem Stiegelruder das Schiff zu steuern hatten. Das zweite Salzschiff hieß "Nebenbei", war 18 Klafter (1 Klafter=1,8965 m) lang und 14 Schuh breit und hatte als Besatzung nur einen Müßiggeher und den Stoirer. Über den ganzen Zug verteilt waren zwei bis drei, manchmal vier Schwemmerplätten, flache Schiffe von 5 Klafter (1 Klafter=1,8965 m) Länge und 5 Schuh Breite; sie dienten zum Übersetzen der Pferde und Mannschaften und auf ihnen wurden die Pferde nach Hause befördert. Die Salzzillen waren zum Schutze gegen das Unwetter mit einem Bretterdach versehen.
Das dritte Hauptschiff war die Kuchelzille oder Habergeiß, 7 Klafter (1 Klafter=1,8965 m) lang, 6 Schuh breit; überbaut mit einem festgezimmerten Holzhause enthielt es neben dem Feuerherde und Kochkessel die Vorräte an Fleisch, Brot und Bier, das Kuchelgeschirr und einige Gewandfässer. Die Bemannung bestand nur aus dem Koch und dem Schiffschreiber; nachts schliefen hier auch der Seßthaler und der Vorreiter. Der Koch hatte nur für die Kuchel zu sorgen; dagegen gehörte der Schiffschreiber zu den Hauptpersonen und war, da der Seßthaler der Schreibkunst meist unkundig war, dessen rechte Hand. Er hatte alle Rechnungen und schriftlichen Arbeiten zu besorgen, war zugleich Zahlmeister und mußte nach der Rückkehr dem Hauptsalzamt Rechenschaft ablegen.
Der Habergeiß folgten die beiden letzten Salzzillen, das Schwemmerschiff, 20 Klafter (1 Klafter=1,8965 m) lang und 15 Schuh breit, und das Nebenbei des Schwemmers, 27 Klafter (1 Klafter=1,8965 m) lang und 12 Schuh breit. Auf dem Schwemmer waren der Schwemmknechtausleger und der Schwemmstoirer, auf dem Nebenbei des Schwemmers der Schwemmüßiggänger, der außer den Seilen noch besonders die Futterzille beaufsichtigen und darüber dem Marstaller Rechenschaft geben mußte, und der Krumper als Stoirer. Er wurde scherzweise der verlorene Mann genannt, weil er der Letzte im ganzen Zuge war. Den Schluß bildete die Futterzille oder der Haberkorb, 7 Klafter (1 Klafter=1,8965 m) lang und 7 Schuh breit, beladen mit Heu, dem Futterhafer für die Pferde und den Kleidern der Reitbuben, in Fässern verpackt. Am Haberkorb hingen noch eine oder zwei Weidenzillen (Fischerkähne) für unvorhergesehene Fälle.
Daß eine solche Fahrt ebenso langsam als mühselig war, läßt sich leicht verstehen; bei ganz günstigem Wind und Wetter brauchte der Salzzug von Passau bis Regensburg 8 Tage; nicht selten aber mußte man wegen zu starken Gegenwindes oder allzuschlimmen Wetters einen oder mehrere Tage "windfeuern". Am 9. Tage wurde in Regensburg umgeladen und die Zillenleute fuhren bereits nachmittags auf der Kuchelzille nauwärts; die Roßleute mit den Pferden folgten noch am gleichen Tag oder am nächsten Morgen um in Passau den neuen Zug wieder zusammenzustellen. Nur selten fuhren ganze Züge nach Ingolstadt und Donauwörth, meist gingen dahin nur halbe Züge.
Mit der Einführung der Dampfschiffe und dem Bau der Eisenbahnen hörten alle Salz- und sonstigen Schiffsfrachtzüge auf, da die neuen Verkehrsmittel eine viel raschere und billigere Beförderung ermöglichten. Aber es ging damit auch ein Stück Poesie auf unseren Flüssen für immer verloren.
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Zuletzt aktualisiert am 26.03.2020