Berliner Exemplar des Urvogels im Fossilien-Museum in Gunzenhausen Urvogels Archaeopteryx Berliner Exemplar des Urvogels im Fossilien-Museum in Gunzenhausen Urvogels Archaeopteryx Berliner Exemplar des Urvogels im Fossilien-Museum in Gunzenhausen

Fossilien- und Steindruck - Museum

in Gunzenhausen im Fränkischen Seenland

Gründonnerstag bis einschl. 1. Advent



"Berliner Exemplar" des Urvogels Archaeopteryx

Das fossile Skelett des Urvogels Archaeopteryx aus Solnhofen galt bei den Anhängern von Darwins Abstammungslehre als ein wichtiges Beweisstück für die Richtigkeit ihrer Theorie. Als der früheste bekannte Vogel der Erdgeschichte hatte er noch zahlreiche urtümliche Merkmale seiner Ahnen bewahrt, was bewies, daß Archaeopteryx von Sauriern abstammen müsse, daß also die Vögel aus den Kriechtieren (Reptilien) hervorgegangen seien. Man bedauerte nur, daß dieses einmalige Tier nicht ganz vollständig erhalten war, insbesondere, daß der für genauere Vergleiche der Verwandtschaftsverhältnisse so wichtige Schädel fehlte.

Die Nachricht von einem zweiten Urvogelfund, der den ersten an Vollständigkeit und Schönheit erheblich übertreffen sollte, schlug daher in der Gelehrtenwelt wie eine Bombe ein. Es waren 16 Jahre seit dem ersten Fund auf der Langenaltheimer Haardt vergangen, als im Jahre 1877, etwa dreieinhalb Wegstunden von Solnhofen entfernt, hoch über dem Altmühltal bei Eichstätt ein weiterer Urvogel ans Licht kam. Die Gesteinsplatten, ebenfalls Solnhofener Plattenkalk, waren im Steinbruch des Johann Dörr auf dem Blumenberg entdeckt worden. Auch diesmal spielte ein Häberlein, er war der Sohn des 1871 verstorbenen Pappenheimer Arztes Karl Häberlein, für das weitere Schicksal dieses Fundes eine bedeutende Rolle. Der Apotheker Ernst Häberlein verstand es, die Fossilplatten, wiederum Positiv und Negativ, in seinen Besitz zu bringen. Ernst Häberlein nahm selbst die erste Freilegung des Fossils vor, wobei sich herausstellte, daß der neue Fund den ersten an Vollständigkeit und Klarheit weit übertraf. Vor allem war diesmal neben dem prächtig erhaltenen Federkleid auch der Schädel erhalten geblieben
Eine erste Mitteilung über diesen Fund machte Häberlein selbst im Mai 1877 in der naturwissenschaftlichen Zeitschrift "Leopoldina". Dies geschah offenbar in der Absicht, das Fossil zugleich mit seiner umfangreichen Sammlung Solnhofener Versteinerungen zum Verkauf anzubieten. Das ging auch daraus hervor, daß Häberlein seine genaue Anschrift, Weidenbach (Station Triesdorf bei Ansbach, Mittelfranken), angab.

Die deutschen Gelehrten hatten es noch nicht verwunden, daß der erste Urvogel nach England entflogen war. So bemühte man sich diesmal, den kostbaren, ja viel schöneren Fund im eigenen Lande zu halten, hatten doch auch schon verschiedene ausländische Museen ihr Interesse bekundet.
Der von Häberlein geforderte Kaufpreis für den Archaeopteryx und die oben erwähnte Sammlung war auf 36.000 Mark festgesetzt, eine Summe, die von keinem der interessierten Museen auch nur annähernd aufgebracht werden konnte. Häberlein hatte für die Bestrebungen, das zweite Archaeopteryx-Exemplar für eine deutsche Sammlung zu erhalten, durchaus Verständnis und stellte das Objekt "zum Zwecke der Vermittlung des Ankaufs" dem Freien Deutschen Hochstift, einem Institut zur Pflege der Wissenschaft, Kunst und Bildung, in Frankfurt am Main für eine Dauer von zunächst 6 Monaten zur Verfügung. Ein Punkt der getroffenen Vereinbarungen verpflichtete dazu "niemandem eine Veränderung der Platte, sowie auch weder die Herstellung eines Abgusses oder Abdruckes oder einer sonstigen Abformung, auch keine Abzeichnung, Photographie oder sonstige bildliche Vervielfältigung zu gestatten".
Nachdem die Verkaufsbemühungen erfolglos geblieben waren, nahm Häberlein sein Eigentum wieder an sich und bot schließlich dem preußischen Kultusministerium die gesamte Sammlung einschließlich Archaeopteryx zu dem um 10.000 Mark reduzierten Preis von 26.000 Mark an. Daraufhin erhielt der Direktor des Mineralogischen Museums der Berliner Humboldt-Universität, Geheimrat Prof. E. Beyrich, den Auftrag, die Sammlung zu begutachten und näheren Bericht zu erstatten. Von der Schönheit des Archaeopteryx beeindruckt, befürwortete Beyrich den Ankauf. Jetzt aber konnten plötzlich die erforderlichen Mittel nicht bereitgestellt werden.
In dieser Situation erwies sich ein Industrieller als Retter in der Not. Im April 1880 hatte Werner von Siemens von der großen wissenschaftlichen Bedeutung des Fundstückes und den Schwierigkeiten, es zu erwerben, gehört. Er erbot sich daraufhin, den Betrag von 20.000 Mark zum sofortigen Ankauf des Archaeopteryx für das Paläontologische Museum der Universität Berlin vorzustrecken. Zugleich war er damit einverstanden, daß das Stück selbst sofort im Museum deponiert wurde. Erst am 8. Februar 1881 konnte der damalige preußische Kultusminister von Puttkamer Herrn von Siemens davon unterrichten, daß er nunmehr das Fossil für die Berliner Sammlung ankaufen könne und bat ihn, die Summe von 20.000 Mark in zwei Raten, im April 1881 und im April 1882, zurückzahlen zu dürfen. Hiermit erklärte sich Werner von Siemens einverstanden.
Einige Zeit später erwarb der preußische Staat auch die übrige Sammlung Häberleins. Damit waren diese wertvollen Objekte zwar ihrem Ursprungsland Bayern entgangen, aber doch einem deutschen Museum erhalten geblieben. Glücklicherweise überstand der kostbare Archaeopteryx unversehrt die Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges und ist noch heute der größte Schatz des Museums für Naturkunde an der Humboldt-Universität zu Berlin.


Was war nun das Besondere an diesem zweiten Archaeopteryx, dem von nun an als das "Berliner Exemplar" bezeichneten Fund? Im Gegensatz zum ersten Urvogel von 1861, dem "Londoner Exemplar", war hier ein Tierfossil überliefert, das bei seiner Einbettung in den Bodenschlamm des Jurameeres noch nicht zerfallen war. So finden sich die Knochen des Skeletts noch in ihrer natürlichen Lage. Die Flügel mit dem Abdruck ihres schön erhaltenen Gefieders liegen vollkommen symmetrisch ausgebreitet. Die drei Finger der Hand ragen mit ihren scharfen Krallen vorne aus dem Flügel heraus. Die Hinterbeine sind noch in der Beckenpfanne eingelenkt und beinahe in Laufstellung erhalten. Der lange, echsenartige Wirbelschwanz läßt eine breite zweizeilige Befiederung erkennen, die dem Archaeopteryx einen langen, breiten Schwanzfächer verliehen hat.

War beim Londoner Exemplar der Schädel nicht mehr erhalten, so wurde hier beim Berliner Urvogel erstmals auch der Kopf überliefert. Es ist eine Eigentümlichkeit, daß bei Vogelleichen sich der Hals mit dem Kopf rückwärts krümmt. Dies hängt damit zusammen, daß beim Erschlaffen oder beim Verwesen der Halsmuskeln die starken elastischen Bänder an der Rückseite den Hals nach hinten ziehen. Dieser Bänderzug nach Ausschaltung der Muskelspannung ist auch ein Grund dafür, daß ein großer Teil der Vögel im Schlaf den Kopf unter die Schulterfedern steckt. So entsteht eine etwas verzerrte Lage des Skeletts wie wir sie nicht nur bei Archaeopteryx, sondern auch bei vielen Flugsaurierfossilien antreffen. Hier beim Berliner Exemplar war die Rückwärtskrümmung des Halses so stark, daß auch noch die vorderen Brustwirbel aus ihrer Verbindung mit dem Schultergürtel gelöst wurden.
Die genaue Analyse des Schädels bestätigte nur, was schon aufgrund der übrigen Beobachtungen deutlich wurde. Es fanden sich Merkmale der Saurier, wie Zähne, neben Merkmalen der Vögel, wie zum Beispiel die großen Augenhöhlen.
Auch vom Berliner Archaeopteryx gibt es eine Gegenplatte, die allerdings kaum Knochenreste enthält. Sie besteht eigentlich nur aus den wieder zusammengefügten abgesprengten Scherben der Hauptplatte. An einigen Stellen zeigt sie aber die Abdrücke des Gefieders besonders deutlich.
Die erste wissenschaftliche Untersuchung des zweiten Urvogels wurde von dem Berliner Paläontologen Wilhelm Dames vorgenommen. Er veröffentlichte seine Ergebnisse im Band 2 der "Palaeontologischen Abhandlungen" im Jahre 1884. Er hielt das Tier für eine kleinere Art, die vom Londoner Archaeopteryx verschieden war. Zu Ehren des Mannes, der das Prachtstück für das Berliner Paläontologische Museum gesichert hatte, nannte er sie Archaeopteryx siemensi. Nach heutiger Auffassung gelten beide Exemplare als zu einer Art gehörig, nämlich zu Archaeopteryx lithographica, wobei der Berliner Urvogel dann als ein jüngeres, noch nicht voll ausgewachsenes Tier anzusehen wäre.


Öffnungszeiten:

Donnerstag - Sonntag  10.00 - 12.00 Uhr und 14.00 - 17.00 Uhr

Fossilienmuseum in Gunzenhausen im Altmühltal


Fossilien- und Steindruck - Museum
Sonnenstr. 4
91710 Gunzenhausen
Tel.Nr.: 09831/882655
Fax.Nr.: 09831/882655



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Zuletzt aktualisiert am 01.04.2020