Die landschaftliche Schönheit des Altmühltales erreicht bei Essing einen Höhepunkt. Hier wendet sich der Fluß vor einer schroffen, burggekrönten Felsbarriere. Am Fuße dieses Felsen auf schmalen Ufersaum aufgereiht, liegt das alte Essing mit seinen malerischen Giebeln und Türmen. In sanften Schwüngen staffeln sich die Linien der Tallandschaft in die Tiefe.
Die neue Wasserstraße bildet hier mit vielen Altwasserbuchten und -armen eine abwechslungsreiche, lebendige Flußlandschaft.
In dieser Landschaft eine neue Brücke zu bauen, die den ganzen Talraum überspannen sollte, war eine schwierige, gestalterische Aufgabe. Bauherr (Rhein-Main-Donau AG), Baubehörde und Gemeinde entschieden sich als Ergebnis eines Entwurfsgutachtens 1978 für die ungewöhnliche Brückenkonstruktion des Münchner Architekten und Konstrukteurs Richard J. Dietrich. Die neuartige Brückenkonstruktion zeichnet sich durch besonderer Leichtigkeit und eine der Landschaft angepaßte geschwungene Linienführung aus. Nach 7 jähriger Planungs- und Entwicklungsarbeit und mit Hilfe von Ingenierwissenschaft und moderner Holzbautechnologie konnte das ungewöhnliche Brückenbauwerk nun realisiert werden.
Abgeleitet vom uralten Prinzip der freihängenden Seilbrücke spannt sich ein Zugband aus 9 brettschichtverleimten Holzbalken über 3 Pfeilerböcke zu den Brückenköpfen. Über dieses einer Seilzuglinie folgende Zugband werden die Brückenlasten zu 90 % in Form von Zugkräften abgetragen. Daraus resultiert der äußerst schlanke, nur 65 cm hohe Querschnitt. Biegebeanspruchte Träger über die gleiche Spannweite von rd. 70 m im Hauptfeld müßten mehr als 6 x so hoch sein (rd. 4 m). Die Gesamtlänge der hölzernen Brückenkonstruktion zwischen den massiven Brückenköpfen beträgt 193 m, die lichte Breite der Gehbahn 3,20 m. Die Konstruktion ist für eine Verkehrslast von 500 kg/m² ausgelegt und damit auch für Fahrzeuge befahrbar.
Hängebrücken haben Tradition in dieser Landschaft. Zur Römerzeit spannte sich eine große Seilhängebrücke über den Donaudurchbruch bei Weltenburg. Anders aber als bei einer solchen in sich völlig flexiblen Konstruktion muß das relativ steife hölzerne Tragwerk der Essinger Brücke gegen Bruchlasten aus Schwingungen gesichert werden. Hier ist vor allem die Schwingungsanregung aus seitlichem Wind zu beherrschen. Die zur Ausführung gebrachte Konstruktion wurde in Windkanalversuchen am Model optimiert.
Die Holzträger-Schar ist horizontal zu einem kastenförmigen Querschnitt verbunden und ausgesteift; auf der Oberseite durch eine doppellagige Diagonalverschalung, auf der Unterseite durch einen offenen Diagonalverband aus Kantholzstäben.
Eine Blechdachhaut deckt die obere Diagonalschalung ab und schützt die Konstruktion gegen Witterungseinflüsse.
Abgedeckte Holzbrücken können Hunderte von Jahren alt werden, wie historische Beispiele zeigen.
Die 9 Trägerbalken sind durch baustellen-verleimte Keilzinkenstöße aus einzelnen Teilstücken von rd. 40 m Länge zu durchlaufenden Trägerbändern zusammengesetzt. Solche Leimstöße sind in dieser Größenordnung bisher noch nirgends ausgeführt worden. Belastungsversuche im Labor und im Einbauzustand waren nötig, um das Verfahren abzusichern.
Das Brückenband wird an drei Stellen durch hölzerne Pfeilerfachwerke unterstützt, die auf massiven Auflagerbänken stehen. Für den Anschluß der Pfeiler-Fachwerkstäbe an die einzelnen Trägerbänder und an die Auflagerbänke wurden spezielle gußstählerne Gelenkelemente entwickelt, die die unter verschiedenen Winkeln angreifenden Kräfte zwängungsfrei einleiten. Auch für den Anschluß des unteren Diagonalverbandes wurde ein besonderer Gußstahlknoten entwickelt.
An den massiven Brückenköpfen werden die konstruktiv bestimmenden Zugkräfte in der Größenordnung von 4.000 KN verspannt. Diese Funktion prägt sich in der Detailausbildung des Anschlußpunktes deutlich aus. Durch eine entsprechend gestaltete Gelenklagerung werden alle Kräfte über einen gemeinsamen Drehpunkt ins Widerlager geleitet, um Zwängungen an den empfindlichen Spannköpfen zu vermeiden. Der leichten Brückenkonstruktion entsprechend und im Sinne eines möglichst filigranen Erscheinungsbildes in der Landschaft wurde für das Geländer ein leichtes, verstrebtes Holz-Stabwerk entwickelt. Als Füllung dient ein sich im Licht optisch auflösendes Drahtgewebe.
Auf diese Weise sind alle Elemente der Brückenkonstruktion ihrer Funktion entsprechend ausgebildet und in einer alle Teile erfassenden Maßordnung aufeinander abgestimmt.
Alle tragenden Teile sind konsequent aus Holz hergestellt. Nur am Übergang konzentrierter Kräfte in den Verbindungspunkten werden Stahlteile verwendet.
Bei allem wurde auch auf eine möglichst effektive Baudurchführung geachtet. Ein hohes Maß an werkseitiger Vormontage wurde erreicht und an der Baustelle konnte mit Hilfe nur weniger Montagejoche - ohne aufwendiges Hilfsgerüst - schnell und präzise montiert werden. Dank der Leistungsfähigkeit der beteiligten Firmen wurde ein Höchstmaß an Perfektion auch in der Ausführung erreicht.
So wurde über den notwendigen Brückenschlag hinaus eine neue Attraktion für die Besucher des Altmühltals geschaffen, sowohl durch das ungewöhnliche Brückenbauwerk selbst, als auch durch die neu geschaffene Aussicht von der Höhe der Brücke auf das schöne Landschaftsbild von Essing.
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Zuletzt aktualisiert am 10.02.2017